Erste Hilfe Abschiebehaft

Die Festnahme und Inhaftierung im Abschiebegefängnis trifft die Betroffenen meist unvermittelt und unvorbereitet. Im Folgenden sollen die Anzeichen einer drohenden Inhaftierung, die beste Vorbereitung für den Fall einer Inhaftierung, Empfehlungen für das Verhalten während Festnahme und Anhörung, sowie ein Leitfaden zu ersten Hilfe bei einer Inhaftierung im Abschiebegefängnis vermittelt werden.

Wer ist von Abschiebehaft bedroht?

Bei vollziehbarer Ausreisepflicht, also wenn das Asylverfahren bereits abgeschlossen ist und der Asylantrag abgelehnt wurde, sind Menschen potentiell von Abschiebehaft bedroht. Hierzu zählen also insbesondere die Menschen, die nur über eine „Duldung“ verfügen.

Bei Abschiebehaft muss grundsätzlich zwischen den verschiedenen Arten unterschieden werden. Ist eine Abschiebung ins zugeschriebene Herkunftsland geplant, handelt es sich meistens um Sicherungshaft gemäß § 62 Abs. 3 AufenthG. Wenn ein anderes EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist, wird von Überstellungshaft gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO gesprochen.

Die Voraussetzungen für Sicherungshaft sind:

  • das Vorliegen von Fluchtgefahr,
  • vollziehbare Ausreisepflicht auf Grund einer unerlaubten Einreise,
  • ergangene Abschiebungsanordnung nach § 58a, welche nicht unmittelbar vollzogen werden kann.

Anhaltspunkte für Fluchtgefahr werden in § 62 Abs. 3a AufenthG und § 62 Abs. 3b AufenthG genannt. In der Realität reicht häufig das Zutreffen eines der folgenden Punkte für eine Annahme von Fluchtgefahr durch das Gericht aus:

  • die Behörde beschuldigt die betroffene Person der Täuschung über die Identität (auch das nicht Mitwirken bei der Passbeschaffung ist ausreichend)
  • die betroffene Person hat ohne Benachrichtigung der Behörde den Wohnort gewechselt oder war mehrfach nicht am angegebenen Wohnort antreffbar
  • ein früherer Abschiebeversuch ist gescheitert
  • die betroffene Person hat nachweislich erklärt, sich einer Abschiebung entziehen zu wollen
  • die betroffene Person ist einer Aufforderung der Behörde nicht nachgekommen, obwohl vorher angekündigt wurde, dass sie in diesem Fall inhaftiert werden könnte
  • die betroffene Person hat für die Einreise viel Geld bezahlt
  • die betroffene Person hat eine strafrechtliche Vergangenheit
  • die betroffene Person wurde als gefährlich eingestuft

Entgegen der häufigen Annahme, dass nur Menschen, die eine Straftat begangen haben, in Abschiebehaft genommen werden können, ist dies in Wirklichkeit keine notwendige Grundlage. Jedoch kann eine vergangene Strafhaft auch noch Jahre später als Haftgrund genutzt werden.

Auch bei Dublin-Überstellungen kann sich an die oben genannten Punkte gehalten werden.

Welche Anzeichen deuten auf eine drohende Inhaftierung im Abschiebegefängnis hin?

Es ist nahezu unmöglich, eine Inhaftierung im Abschiebegefängnis vorherzusagen. Die folgenden drei Warnzeichen basieren auf Erfahrungswerten, sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten.

Es kann festgestellt werden, dass besonders viele Betroffene bei einem Behördentermin festgenommen und anschließend zur Anhörung über den Haftantrag zum Amtsgericht gebracht werden. Bei den Behördenterminen handelt es sich fast ausschließlich um Termine zur Duldungsverlängerung. Zu diesen sollten von Abschiebung und Abschiebehaft bedrohte Personen generell nicht alleine gehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Terminen, die kurzfristig angeboten wurden, nachdem zuvor längere Zeit keine Termine zur Duldungsverlängerung angeboten wurden.

Einige Tage vor geplanten (regelmäßigen) Sammelabschiebungen füllt sich das Abschiebegefängnis meistens mit Betroffenen dieser zugeschriebenen Staatsangehörigkeit. Unter der Webseite von No Border Assembly kann sich über anstehende Sammelabschiebungen informiert werden. In den Tagen unmittelbar vor einer geplanten Sammelabschiebung sollten von dieser bedrohte Personen äußerte Vorsicht walten lassen.

Berichte über eine vergebliche Suche der Polizei nach einer Person am Wohnort oder Arbeitsplatz sind ein Warnsignal für eine drohende Inhaftierung im Abschiebegefängnis. Bei einer solchen Suche kann es sich um einen vergeblichen Festnahmeversuch im Rahmen einer hierdurch gescheiterten Abschiebung handeln, welche somit einen Abschiebehaftgrund darstellt.

Wie bereitet man sich bestmöglich auf eine drohende Inhaftierung im Abschiebegefängnis vor?

Sobald eine Abschiebung droht sollte unmittelbar ein*e Anwält*in und/oder eine Beratungsstelle  kontaktiert werden. Diese können die Situation einschätzen, in dieser unterstützen und rechtliche Schritte gegen die Abschiebung und Abschiebehaft einleiten.

Es ist sinnvoll, alle wichtigen Dokumente gespeichert zu haben, entweder auf dem Handy oder noch besser online abrufbar (E-Mail-Postfach, Cloud, etc.). Im hessischen Abschiebegefängnis in Darmstadt werden Handykameras abgeklebt. Das erschwert die Möglichkeit, Fotos von Dokumenten zu machen, um sie an Anwält*innen zu schicken.

Seit Einführung des Hau-Ab-Gesetz-III bekommen Betroffene bei der Anhörung eine anwaltliche Vertretung beigeordnet. Trotzdem ist es sinnvoll, eine Person ihres Vertrauens zu benennen, welche am Verfahren beteiligt werden kann. Eine Person des Vertrauens darf an der Anhörung teilnehmen, kann Akteneinsicht beantragen, Anträge stellen und Beschwerden einreichen. Sobald eine Abschiebung droht, ist es sinnvoll, unmittelbar eine solche Person zu bestimmen und schriftlich zu benennen. Für die Benennung reicht ein kurzes Schreiben, in der Form:

» Hiermit benenne ich Name der Person als die Person meines Vertrauens nach Art. 104 Abs. 4 GG. Sie ist nach §432 FamFG unverzüglich über die Anordnung der Freiheitsentziehung oder deren Verlängerung zu informieren. Sie soll nach den § 7 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 418 Abs. 3 Nr.2 FamFG an dem Verfahren beteiligt werden. «

Dieses Schreiben sollten von Abschiebung bedrohte Personen jederzeit bei sich tragen, beispielsweise im Geldbeutel. Bei einer Festnahme kann darauf bestanden werden, dass die Person des Vertrauens an der Anhörung teilnimmt. Ein weiteres Exemplar sollte die benannte Person des Vertrauens erhalten.

Wie sollte man sich während der Festnahme von der Polizei verhalten?

Während der Festnahme sollten die Betroffenen Ruhe bewahren. Sollten sie sich gegen die polizeiliche Maßnahme wehren, kann dies im Nachhinein als tätlicher Angriff und somit als Straftat gewertet werden. Es sollte bedacht werden, dass im Nachhinein zu jeglichen Vorkommnissen von offizieller Seite den Schilderungen der Polizei Glauben geschenkt werden wird.

Wenn möglich sollten Angehörige, Freund*innen, Kolleg*innen oder andere anwesende Personen über die Festnahme informiert werden und Kontaktmöglichkeiten geklärt werden.

Den Maßnahmen sollte in jedem Fall ausdrücklich widersprochen werden.

Bei einem Abschiebeversuch sollte sich bewusst gemacht werden, dass die Verhinderung der Abschiebung einen Abschiebehaftgrund darstellt und eine unmittelbare Inhaftierung sehr wahrscheinlich ist.

Wie sollte man sich während der Anhörung beim Gericht verhalten?

Bei einer Anhörung sollte besonders darauf geachtet werden, keine Aussagen zu treffen, die einen möglichen Haftgrund liefern. Es kann sich an die oben genannte Auflistung gehalten werden. Hierzu zählen Bemerkungen wie „Ich gehe nicht freiwillig zurück“. Dies kann bereits als Bereitschaft zur Entziehung der Abschiebung gewertet werden.

Auch auf inhaltliche Aussagen zum aufenthaltsrechtlichen Verfahren sollte verzichtet werden. Aus vermeidlichen Erklärungen und Mitwirkungsversuchen können sich für das Gericht Tatsachen ergeben, die eine Inhaftierung im Abschiebegefängnis ermöglichen.

Im Zweifel ist es am sichersten, gar nichts zu sagen, auch wenn dies einiges an Überwindung kosten kann. Bei Kenntnis über eine bevorstehende Anhörung sollte unbedingt eine Absprache mit Anwält*innen und Unterstützer*innen erfolgen.

Es sollte jedoch geäußert werden, dass man allen angeordneten Maßnahmen nachkommen wird und dass die Person des Vertrauens hinzugezogen werden soll. Hierfür sollte man Namen und Telefonnummern, sowie die Benennung der Person des Vertrauens parat haben. Wenn weder Anwält*in noch Person des Vertrauens an der Anhörung teilnehmen, sollte unbedingt darauf bestanden werden, dass im Anhörungsprotokoll vermerkt wird, dass nach der Hinzuziehung der*des Anwält*in und/oder Person des Vertrauens verlangt wurde.

Weder das Anhörungsprotokoll noch irgendein anderes Dokument sollte von der betroffenen Person unterschrieben werden.

Bei Entscheidung über die Anordnung von Abschiebehaft sollten Haftantrag, Haftbeschluss und Anhörungsprotokoll in schriftlicher Form verlangt und aufbewahrt werden. Es sollte außerdem darum gebeten werden, die Dokumente direkt an die Person des Vertrauens schicken zu lassen. Alle Gerichtsdokumente sollten wenn möglich direkt bei Erhalten fotografiert werden.

Welche Schritte sollte bei einer Inhaftierung im Abschiebegefängnis sofort eingeleitet werden?

Direkt bei Ankunft im Abschiebegefängnis sollte Kontaktmöglichkeiten abgeklärt werden. Im besten Fall kann über das eigene Handy Kontakt mit Anwält*in, Person des Vertrauens und weiteren Unterstützer*innen aufgenommen werden. Ansonsten kann das Handy von einer mitinhaftierten Person oder das Stationstelefon genutzt werden.

Per Telefon sollten unmittelbar Anwält*in, Person des Vertrauens und weitere Unterstützer*innen über die Inhaftierung informiert werden. Hierzu zählt natürlich auch Support PiA!

Um Gerichtsdokumente zu versenden oder Vollmachten und andere Dokumente auszufüllen und zu versenden gibt es mehrere Möglichkeiten. Am einfachsten ist es, die haftinterne Sozialarbeit oder Seelsorge um Hilfe zu bitten. Eine weitere Möglichkeit wäre das Versenden der Dokumente per Post. In dringlichen Fällen kann eine letzte Möglichkeit das Entfernen der Kamerasiegel und fotografieren der Dokumente sein. Über die Konsequenzen hiervon sollten sich die Betroffenen jedoch bewusst sein!

Was sollte zusätzlich im Hinblick auf Abschiebehaft bedacht werden?

Sicherheitshalber kann es sinnvoll sein, die Ankunft im Zielland zu planen. Hierzu zählt die Kontaktierung von Verwandten und Bekannten, sowie das Notieren von Adressen von Anlaufstellen. Wenn möglich sollten wichtige persönliche Gegenstände von Angehörigen zum Gefängnis gebracht werden.

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