Die folgende Seite bietet Informationen über Abschiebehaft und die Betroffenen im hessischen Abschiebegefängnis. Alle Angaben entstammen des Berichts „Community for all – 4 Jahre Abschiebeknast Hessen“.
Zahlen zu Abschiebungen und Inhaftierungen
Bis heute wurden im hessischen Abschiebegefängnis in Darmstadt-Eberstadt über 1200 Menschen inhaftiert und ca. 80% dieser Menschen anschließend abgeschoben [FR22].
Die jährliche Anzahl der Inhaftierungen in Abschiebegefängnissen deutschlandweit (blau), sowie die jährliche Anzahl der Inhaftierungen auf Antrag hessischer Behörden, beziehungsweise seit dem 27. März 2018 in Hessens Abschiebegefängnis selbst (orange) sind im Zeitraum 2015 bis 2020 abgebildet [GA18, GA21]. Bis zur Eröffnung des hessischen Abschiebegefängnisses im Jahr 2018 wurden die, auf Veranlassung hessischer Behörden, Betroffenen hauptsächlich in Ingelheim (Rheinland-Pfalz) inhaftiert. Zum Jahr 2021 liegen noch keine endgültigen Zahlen vor. Es wird darauf hingewiesen, dass Anfang 2020 de facto die COVID-19-Pandemie, sowie die damit einhergehenden Maßnahmen begannen.
Die jährliche Anzahl der Abschiebungen deutschlandweit (blau), sowie die jährliche Anzahl der Abschiebungen aus Hessen (orange) sind im Zeitraum 2015 bis 2021 abgebildet [KA215, KA116, KA117, KA218, KA19 KA20, KA21 KA222]. Aus diesen beiden Abbildungen lässt sich der Anteil an Abgeschobenen bestimmen, der zur Sicherung der Abschiebung in Abschiebehaft inhaftiert wurden.
Es ist zu erkennen, dass 2015 bundesweit noch lediglich knapp 10 % der Abgeschobenen in Abschiebehaft inhaftiert wurden. Im Jahr 2020 lag dieser Wert bereits bei über einem Viertel. In Hessen ist diese Tendenz noch deutlicher zu sehen, bei einem Anstieg von unter 5 % auf beinahe ein Drittel. Ein leichter Einbruch der Zahl hessischer Inhaftierungen im Jahr der Eröffnung des hessischen Abschiebegefängnisses, 2018, ist zu beobachten. Dennoch stieg in den Folgejahren der Anteil der in Abschiebehaft Inhaftierten wieder deutlich an und stieg wie bereits in den Vorjahren über den Bundestrend.
Wer ist betroffen?
Von den mit Support PiA in Kontakt stehenden Betroffenen liegt die Quote der Inhaftierungen aufgrund einer geplanten Dublin-Überstellung bei knapp 35 %. Dabei entfallen die meisten Dublin-Überstellungen mit gut 51 % mit großem Abstand auf Italien, gefolgt von Spanien mit 10 % und Frankreich mit 9 %. Inhaftiert wurden seit der Eröffnung Menschen mit über 70 verschiedenen (zugeschriebenen) Nationalitäten.
Basierend auf den Kontakten von Support PiA ist die Verteilung der 20 häufigsten Herkunftsländer laut eigenen Angaben der Betroffenen dargestellt.
Weniger als ein Viertel der Betroffenen verfügen über ausreichende Deutschkenntnisse, um sich in deutscher Sprache adäquat, insbesondere über das Thema Abschiebehaft und Abschiebehaftrecht, austauschen zu können.
Das Durchschnittsalter der Kontakte von Support PiA zu Beginn der Inhaftierung entspricht knapp 30 Jahre. Die jüngste Person war laut eigenen Angaben zum Inhaftierungszeitpunkt 17 Jahre und 9 Monate alt. Dies war nach Kenntnissen von Support PiA die einzige Inhaftierung einer minderjährigen Person im Abschiebegefängnis Darmstadt. Die älteste inhaftierte Person war zu Beginn der Inhaftierung 60 Jahre alt.
Gemäß offizieller Angaben rund ein Jahr nach Eröffnung des hessischen Abschiebegefängnisses betrug die durchschnittliche Inhaftierungsdauer 24 Tage [GA19]. In den folgenden Jahren sank die durchschnittliche Inhaftierungsdauer, sodass diese über die ersten drei Jahre ca. 21,5 Tage betrug [CDU21]. Die längste Inhaftierung fand von November 2018 bis März 2019 statt und betrug 145 Tage, also 4 Monate und 21 Tage. Die durchschnittliche Haftdauer der Kontakte von Support PiA beträgt 36,9 Tage. Aus den Aufzeichnungen von Support PiA geht hervor, dass 91,3 % der Betroffenen länger als eine Woche inhaftiert sind. Die Wahrscheinlichkeit für eine Inhaftierungsdauer von mehr als einem Monat liegt bei über 51,1 %. Länger als zwei Monate sind immer noch 16,5 % der Betroffenen inhaftiert und 6,5 % der Betroffenen verbringen in Hessen über drei Monate in Abschiebehaft.
In 61 Fällen wurden von Support PiA gesundheitliche Beschwerden während der Inhaftierung dokumentiert. In 13 Fällen kam es im Rahmen der Inhaftierung und Abschiebung zu Suizidversuchen.
Bei drei Betroffenen kam es zu einer weiteren Inhaftierung im Abschiebegefängnis Darmstadt mit Kontakt zu Support PiA bei beiden Inhaftierungen.
In einem Fall wurden zwei Geschwister gleichzeitig inhaftiert.
Bereits im ersten Jahr des hessischen Abschiebegefängnisses kam es zu sechs Fluchtversuchen [GA19], zwei davon waren erfolgreich [FAZ218].
Einen ausführlichen Bericht über Abschiebehaft in Hessen seit 2018 findet ihr hier .
Referenzen
CDU21 – https://www.cduhessen.de/aktuelles/innenminister-peter-beuth-hessen-erweitert-die-abschiebungshafteinrich/
FAZ218 – https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/ein-mann-nach-flucht-aus-abschiebegefaengnis-in-darmstadt-gefasst-15919237.html
FR22 – https://www.fr.de/rhein-main/darmstadt/abschiebegefaengnis-in-darmstadt-was-ich-erlebt-habe-laesst-mich-nicht-mehr-los-91713855.html
GA18 – https://dserver.bundestag.de/btd/19/058/1905817.pdf
GA19 – https://starweb.hessen.de/cache/DRS/20/8/01218.pdf
GA21 – https://dserver.bundestag.de/btd/19/316/1931669.pdf
KA215 – https://dserver.bundestag.de/btd/18/040/1804025.pdf
KA116 – https://dserver.bundestag.de/btd/18/075/1807588.pdf
Ka117 – https://dserver.bundestag.de/btd/18/111/1811112.pdf
KA218 – https://dserver.bundestag.de/btd/19/008/1900800.pdf
KA19 – https://dserver.bundestag.de/btd/19/080/1908021.pdf
KA20 – https://dserver.bundestag.de/btd/19/182/1918201.pdf
KA21 – https://dserver.bundestag.de/btd/19/270/1927007.pdf
KA222 – https://dserver.bundestag.de/btd/20/008/2000890.pdf